Muss ein Pferd nach drei Monaten Beritt schon fertig sein? Kann ein Pferd nach drei Monaten Beritt denn schon fertig sein? Ja, es ist fertig. Und zwar mit den Nerven. Wenn ein Pferd nach drei Monaten Beritt zurück zum Besitzer geht, der es vermutlich nach besten Wissen und Gewissen zum Einreiten weg gegeben hat, weil er sich selber nicht in der Lage sieht, sein Pferd korrekt einzureiten, dann hat das Pferd in der Regel gelernt, zu funktionieren.
Es hat in der Regel gelernt, dass Widerstand zwecklos ist.
(Einen Gruß an dieser Stelle an alle Star Trek Fans.) Es hat gelernt, sich den „Wünschen“ oder eher den Befehlen des Reiters zu fügen. Jetzt kommt dieses Pferd zurück zum Besitzer und nun sind verschiedene Szenarien möglich. Vermutlich fängt das Pferd an, unter dem weniger „starken Reiter“ seine Sorgen, Ängste, Verspannungen und Schmerzen zu zeigen. Das wird dann leider sehr sehr oft als Widersetzlichkeit fehlinterpretiert. Jetzt kommt entweder der Bereiter regelmäßig wieder, um das Pferd Korrektur zu reiten, oder Pferd und Reiter gehen auf eine lange gemeinsame Reise, um wieder zueinander zu finden. Auf dieser Reise gibt es dann vermutlich erst einmal viele verschiedene Trainer, Sattler, Osteopathen und andere Pferdeexperten. Es wird nach der Ursache gesucht, warum das Pferd mit dem Kopf schlägt, so klemmig geht, immer unter dem Reiter weg läuft oder sich gar nicht mehr bewegen mag. Oft sind diese Pferde vom Boden aus ganz friedliche und freundliche Gesellen. Sobald jedoch der Reiter in den Sattel steigt, steigt auch der Stresslevel des Pferdes. Der Grund dafür ist meiner Meinung nach das verloren gegangene Vertrauen des Pferdes in den Menschen/Reiter.
Durch ein zu schnelles und leider auch häufig zu grobes Einreiten hat das Pferd seine innere und äußere Balance verloren.
Mit der äußeren Balance meine ich das nun veränderte Gleichgewicht des Pferdes. Ein Reiter verändert maßgeblich das Gleichgewicht des Pferdes. Im besten Fall sitzt er so in Balance, das er nicht noch weiter stört. Oft sieht man jedoch einen Schiebesitz, Stuhlsitz, eingeknickte Hüften etc. Mit dem Verlust der inneren Balance meine ich den Verlust von Vertrauen in sich selbst und in den Menschen. Das Pferd erfährt, dass sich der Reiter wie ein Raubtier verhält. Er klammert und zieht, haut und sticht und beeinträchtigt zum Beispiel durch Rollkur die Sicht und die Atmung des Pferdes. Der Verlust der inneren Balance bedeutet für mich auch eine gewisse Erniedrigung des Pferdes. Das Pferd verliert ein Stück seiner Selbstachtung und seines Selbstwertgefühles. Es wird nicht durch den Reiter ermutigt sich groß, stark und schön zu fühlen, sondern es wird eher klein gemacht und ihm wird die Stimme und die Würde genommen. Reiten ist eine Beschäftigung, ein Hobby, eine Leidenschaft des Menschen, die eine enorm hohe körperliche, geistige und seelische Kompetenz erfordert. All das kann man lernen. Ein Pferd einzureiten ist schon etwas besonders und erfordert ein wenig Mut. Ich frage mich oft, warum sich ein Jungpferd gekauft wird, um es dann zum Einreiten weg zu geben? All das Vertrauen, das ein Pferd zu seinem Menschen aufgebaut hat, wird leider oft in drei Monaten Beritt zerstört. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich sagen, dass es natürlich sehr viele, sehr kompetente, einfühlsame und rücksichtsvolle Ausbilder gibt. NATÜRLICH!!!! Diese Menschen würden jedoch auch nicht versprechen ein Pferd in drei Monaten „fertig zu machen“.
Ausbildung braucht Zeit. Viel Zeit.
Eigentlich sogar sehr viel Zeit. Naja, um ehrlich zu sein, dauert sie ein ganzes Leben. Und ein ganz großer Teil der Ausbildung besteht darin Vertrauen aufzubauen und zu erhalten. Der Mensch muss seinem Pferd vertrauen und das Pferd seinem Menschen vertrauen. Wenn beide sich gegenseitig vertrauen und gemeinsam einen Weg gehen, dann nimmt das dem Einreiten einen riesigen Schrecken. Für beide. Wer sich die Ausbildung bzw. das Einreiten eines Jungpferdes nicht selber zutraut, der sollte sich sehr genau ansehen, in welche Hände er/sie seinem Schützling gibt, um zu vermeiden, dass das Einreiten zu einem traumatischen Erlebnis wird. Das Einreiten/Anreiten ist für ein Pferd ein sehr einschneidendes Ereignis. Deshalb ist es so wichtig dafür zu Sorgen, das es für das Pferd etwas neues, spannendes und interessantes ist und nicht etwas, vor dem es sich fürchten muss. Euren Pferden zu Liebe.