Die Antwort lautet „JA“! Die Antwort lautet „NEIN“!
Ich möchte meine Meinung dazu gerne etwas genauer erklären. Das Pferd das nicht geritten werden möchte, zeigt sein Unwohlsein auf vielfache Art und Weise. Es steigt, es buckelt, geht durch, geht gar nicht mehr vorwärts, schüttelt mit dem Kopf, schlägt mit dem Schweif, lässt den Reiter nicht aufsitzen. Die „stillen“ Pferde zeigen es nur in ihrer Mimik. Das sind die traurigen, angstvollen, schmerzgeplagten Pferdegesichter. Fast alle zeigen es auch an ihren Körpern. Verspannte Muskulatur, Kompensationsmuskulatur, schlechte Bemuskelung, unphysiologische Bewegungsmuster, fehlende Rückenmuskulatur, hervorstehender Widerrist, untergeschobene Hinterhand oder nach hinten raus gestellte Hinterhand, stark rückständige Vorhand, um nur ein paar Dinge aufzuzählen. All diese Pferde wollen nicht geritten werden, weil sie durch das Reiten oder schon vorher Schmerzen bekommen haben.
Unsachgemäßes Reiten schadet dem Pferd.
Es fügt ihm körperlichen und seelischen Schaden zu. Ich glaube, das Pferde hier trotz der Schmerzen oder ihres körperlichen Unwohlsein in der Lage sind Unterschiede zu spüren. Das Pferd unterscheidet, meinem Empfinden nach, zwischen „schlechten“ Reitern, aber liebevollen, fürsorglichen Pferdemenschen und einem „schlechten“ Reiter, der sein Ego auf dem Pferd befriedigen möchte. Jemand der mit Macht und Gewalt versucht, das Pferd gefügig zu machen. Geritten werden findet das Pferd in beiden Fällen sicher nicht so prickelnd, aber im ersten Fall „erduldet“ es das Pferd seinem Menschen zu Liebe. Und der Mensch sollte seinem Pferd zu Liebe lernen, wie ein Pferd geritten werden möchte. Und wie möchte nun ein Pferd geritten werden?
Woran erkenne ich, ob ein Pferd gerne geritten wird?
Die Pferde die gerne geritten werden, zeigen es durch ihre Bewegungen und in ihrem Gesicht. Sie zeigen entspannte Gesichter, aufmerksame Augen, ein entspanntes Maul, ein aufmerksames Ohrenspiel. Manchmal sieht man auch ein hochkonzentriertes Gesicht, wenn etwas neues gelernt wird oder etwas besonders schwierig ist. Der Schweif wird ruhig getragen, der Kopf/ Hals wird natürlich und ruhig selber gehalten, ohne das er in einer bestimmten Position vom Reiter fixiert wird. Das Pferd zeigt, seinem Ausbildungsstand entsprechend losgelassene Bewegungen. Das heißt, das Jungpferd geht zwanglos am längeren Zügel und lässt sich willig und fließend beschleunigen oder verlangsamen, weil es die Hilfen erklärt bekommen hat, sie verstanden hat und sich nun gerne in Harmonie mit seinem Menschen bewegt. Das schon etwas weiter ausgebildete Pferd richtet sich entsprechend seiner Kraft vorne auf und präsentiert sich stolz, stark und schön, ohne vom Reiter künstlich dort hingestellt wurden zu sein.
Die Ausbildung durch den Reiter hat das Pferd innerlich wie äußerlich wachsen lassen.
Das Pferd wird muskulöser. Es wirkt runder und harmonischer im Körperbau. Es hat eine gut bemuskelte Oberlinie, die sich in einer guten Rückenmuskulatur und wohlgeformter Hinterhand fortsetzt. Es finden sich keine Dellen, Beulen, komische Hügel, oder verspannte Muskelstränge an Hals, Rücken oder Hinterhand. Auf dem Bild seht ihr wie ich Wolke aus der schützenden Hand als Handpferd mit ins Gelände nehme. Da war sie noch nicht angeritten und Sunbeam konnte und wollte noch geritten werden. Mittlerweile ist Sunbeam 24 Jahre alt und wird nicht mehr von mir geritten. Wolke möchte geritten werden und sie zeigt es ganz deutlich. Sie möchte lernen, verstehen, probieren und wachsen. Wenn ich auf die Aufstiegshilfe steige, dann kann sie es kaum erwarten, dass ich endlich aufsteige. Das erkenne ich nicht daran, dass sie rum zappelt, also unruhig ist. Nein, sie wartet ganz geduldig bis ich aufgestiegen bin. Und Geduld ist nun wirklich nicht ihre Stärke. Wolke ist nun 7 Jahre alt. Ich habe sie mit 4 1/2 Jahren angefangen zu reiten. Ihr Sattel musste jetzt schon zum dritten Mal weiter gemacht werden. Sie ist also erst 2 1/2 Jahre unter dem Sattel. Das ist sehr kurz, zumal ich, zu ihrer Schonung, nicht täglich reite und wenn ich auf dem Platz bin maximal 30 Minuten reite. Nur wenn wir im Gelände unterwegs sind, dann sitze ich auch mal 1 Stunde auf ihr. Das mache ich nicht, weil ich nicht so viel Zeit habe. Das mache ich, um mein Pferd nicht zu überlasten. Es passiert leider schneller als man denkt, das ein Pferd nicht mehr in der Lage ist seinen Reiter „gesund“ zu tragen. Um das nämlich zu tun, muss das Pferd seinen Rumpftrageapparat aktivieren, um den Rumpf/ Widerrist aktiv anzuheben. Nur wenn der Widerrist angehoben ist, kann das Pferd den Reiter tragen, ohne sich selbst dabei zu schaden. Leider gibt es sehr viele Pferde, die nie lernen konnten oder durften wie man seinen Rumpf anhebt. Diese Pferde sehen dann so aus wie anfangs beschrieben. Das zusätzliche Gewicht des Reiters wird sozusagen durch die Rumpfträger abgefedert. Sofern diese korrekt trainiert wurden sind. Aber das ist ein anderes Thema. Sobald das Pferd also den Widerrist nicht mehr anheben kann, weil auch ein Pferd irgendwann keine Kraft mehr hat und aus der Puste ist, sollte man als Reiter absteigen.